Blick auf Dublin City Centre mit dem Spire

Mit Irland geht es zu Ende.

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Es klingt dramatisch; ich weiß. Ich bin aber tatsächlich zu der Überzeugung gekommen, dass es mit meinem geliebten Irland nicht mehr länger bergab geht. Wir sind angekommen. Mit Irland geht es zu Ende.

Ja, ja werdet ihr sagen, die Wirtschaft und so, aber das meine ich gar nicht. Und ich rede auch nicht von unserer neuen Regierung, deren einziges Konzept für die Zukunft darin zu bestehen scheint, Angie Merkel um bessere Kreditkonditionen anzuschnorren. Ich rede auch nicht von unserem neuen Taoíseach Enda Kenny, der in etwa das Charisma einer Tüte Erdnussflips hat. Ich rede von St. Patricks Day. Der nationalen Institution. Dem Hohetag der Kampftrinker.

Da war ich nämlich gerade und ich bin schockiert!

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich es in all den Jahren nie auf die Parade geschafft habe. Die war mir einfach zu früh. Ich habs nicht so mit Vögeln und schon gar nicht mit den frühen, die wo die Würmer fangen. Nachdem ich dieses Jahr aber Besuch aus dem fernen Tasmanien hatte, wollte ich mich nicht lumpen lassen. Es half ja auch, dass mir jemand steckte, dass die Parade erst um 12 losgeht und nicht um 10 wie ich all die Jahre dachte. Na gut, dachte ich. Stürzen wir uns ins Getümmel.

St. Patricks Day, benannt nach dem irischen Nationalheiligen und allseits beliebt als die größte Party des Jahres. Ein Fest für Steher. Schließlich feiern wir auf Irland richtig und nicht wie die Saftnasen vom Festland. Wer will schon die Festrede von irgendeinem Volksverdreher hören. Am Paddies Day gibt es eine lustige Parade und dann ehren wir unseren Nationalheiligen bis der Wirt uns rausschmeißt.

Wir lieben unseren Patrick und das drücken wir auch aus. Der hat schließlich die Schlangen verjagt und unsere Seelen gerettet. Das wissen viele gar nicht; Irland war schon katholisch, da haben Sie in Rom noch zu Vesta gebetet und auf Bacchus angestoßen. Da gab es weder einen Petersdom noch den Vatikan! Rein historisch und sprichwörtlich ging – was das heutige und sogenannte christliche Abendland angeht – die Sonne im Westen auf. Da sind wir stolz drauf! Und da feiern wir auch ordentlich. Vielmehr kam seitdem schließlich nicht.

Meine Erwartungen waren hoch gesteckt und nicht nur wegen des historischen Hintergrunds. Was ich bisher verschwiegen habe ist, 2011 war nicht mein erster Versuch, zur Parade zu gehen. Ich blicke da auf eine lange Liste ambitionierter aber letztendlich erfolgloser Versuche zurück.

In einem meiner ersten Jahre hier, da war ich noch frisch, schaffte ich es gegen 14.00 Uhr in die Stadt. Ich naives Dummchen hatte ja keine Ahnung, was mich erwartete. Ich dachte, die paradieren den ganzen Tag und singen lustige Lieder. Was soll ich sagen. In dem Moment, als freudig erregt und vermutlich auch aufgeregt lächelnd ich aus dem Bus stieg, kotzte mir eine geschätzt vierzehnjährige Bürgerin ostentativ vor die Füße. Die war so dicht, sie schaffte es nicht bis an die Mauer. Das prägt!

Zwei Jahre später schaffte ich es erst gegen 18 Uhr in die Stadt. Ich bin halt einer von den geschätzt fünf Leuten in Irland, die noch einen Job haben. Egal wie hart ich probierte, es bestand noch nicht mal ansatzweise die Chance, den Vorsprung der anderen aufzuholen. Die gesamte Stadtbevölkerung Dublins war so derart über den Damm, dass ich schließlich aufgab. Als Angesäuselter unter den Vollsteifen fühlt man sich wie Aussatz.

Ich ging frustriert heim. Was sollte ich auch machen? Die Türsteher hielten mich für einen besonders begabten Schauspieler und ließen mich nicht ins Pub. Ich sah suspekt aus. Schließlich konnte ich abends um 8 noch stehen.

Dieses Jahr sollte mir das nicht passieren. In meinen alten Freund aus Tasmanien hatte ich einen profilierten Kampftrinker eingeladen; die perfekte Gesellschaft für so ein Großereignis. Wir hatten uns minutiös vorbereitet inklusive Full Irish Breakfast, um eine Grundlage zu haben. Umso größer meine Bestürzung, als wir schließlich an der O’Connel Street ankamen. Lauter lustig angezogene Leute mit Kindern und Tröten und stocknüchtern. Und es wurde nicht besser. Die Parade ging los und immer noch alle zivilisiert. Und das ging so weiter. Was ist denn da los?

Dass die Parade Kinderkram ist, hatte ich erwartet, aber dass auch wirklich überhaupt gar niemand mit umgewidmeter Cola Flasche (7/8 dunkler Rum und ein Schuss Cola) am Straßenstrand stand, dass selbst am späteren Nachmittag noch alle halbwegs nüchtern durch die Straßen zogen, hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Da sich die Mentalität der Leute nicht geändert hat, muss es wohl an der Rezession liegen. Oder der harte Kern der Paddies Day Trinker ist ausgewandert. Egal wie rum man es betrachtet: Es geht bergab!

Bisher habe ich immer abgewiegelt, nach diesem schockierenden Erlebnis glaube ich nun aber auch, dass es mit Irland zu Ende geht. Arm aber sexy hieß es früher über Berlin. In Irland sind wir jetzt nur noch arm? Da weiß ich ja nicht, ob mir das gefällt.