Statue in Galway

Arbeiten im Call Center

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Als Ausländer ist die wichtigste Qualifikation in Irland die eigene Muttersprache. In der Hauptsache suchen Agenturen hier keine Genies, sondern Leute die eine europäische Sprache beherrschen; Deutsch zum Beispiel.

Entsprechend sind 10 von 10 Jobangeboten für sogenannte Tätigkeiten in einem Call Center. Die haben im Allgemeinen zwar einen schlechten Ruf, doch ist der zum Teil völlig unverdient. Es kommt darauf an, was man will.

Ein dickes Fell hilft

Vorweg soviel: Um dort zu arbeiten braucht man ein dickes Fell. Leute die alles gleich persönlich nehmen, haben in einer solchen Umgebung nichts zu suchen. Wenn es einem etwas ausmacht, mit unfreundlichen und genervten Menschen zu reden (schließlich bedient man den deutschen Markt), wird man nicht viel Freude haben.

Man braucht eine Menge Gelassenheit. Natürlich sind Anrufer genervt, oftmals haben sie zwanzig Minuten in der Warteschleife verbracht und der einzige Grund, warum sie anrufen ist, dass irgendetwas schief gegangen ist. Ein paar freundliche Worte brechen schnell das Eis und wenn man es geschickt anstellt, hat man am Telefon viel zu lachen.

Einer meiner ewigen Lieblingsanrufer kam aus der Schweiz. Er stellte sich vor mit: “Guten Tag, meine Name ist … Sie müssen wissen ich bin Eidgenosse und wir sind Arschlöcher.” An der Stelle musste ich dann kurz auf die “Mute-Taste” drücken, weil es mich vor Lachen fast aus dem Hocker gehauen hat. Natürlich hatte der Mann völlig Recht, er war ein Arschloch, das war aber eher sein als mein Problem und so verlief auch das dann folgende Gespräch. Ich liebe Fernduelle.

Anrufer sind auf ein Produkt oder einen Service sauer, nicht auf die Person am Telefon. Wenn man sich das erst mal klar gemacht hat, ist Call Center der totale Traumjob. Sein wir doch mal ehrlich: Immer noch besser als richtig arbeiten. In den meisten Läden kann man den ganzen Tag im Internet surfen, man hat nette Kollegen, eine international bunt gemischte Kollegenschaft und innerhalb von sechs Monate gehört man zu den alten Hasen. Das ist nicht schlecht!

Aufstieg und Karriere

Vor allem für Leute ohne Ambitionen bietet das Call Center ideale Arbeitsbedingungen. Es ist so gut wie unmöglich, gefeuert zu werden und mit etwas Geduld besteht eine realistische Chance trotz offensichtlicher Unfähigkeit und offen zur Schau getragener Arbeitsscheu, befördert zu werden. Wo gibt es das schon?

Ich habe Leute in sogenannten Level 2 Jobs getroffen (sprich escalated support; die Jungs und Mädels die man fragt, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß), die so derartig dämlich waren, dass es weh tat. Da spielen sich dann Szenen ab wie:

L2: Ist der Stecker drin?

Agent: Nein, die drei Seiten Log (Mitschrift, was man mit dem Kunden veranstaltet hat) sind nur zum Spaß. Wir haben das Troubleshooting vor einem schwarzen Bildschirm veranstaltet.

L2: Hast du den Treiber neu installiert?

Agent: Seite 1, Zeile 1.

L2: Da weiß ich dann auch nicht!

Agent: Danke, das dachte ich mir. Ich schätze deswegen zahlen sie dir das Doppelte von dem was ich verdiene.

Immer cool bleiben

Man kann sich über so etwas aufregen oder aber sich einen Spaß draus machen. Man fragt besagten technisch- und intellektuellen Überflieger zum Beispiel um Rat und befolgt ihn dann einfach und ohne weiter darüber nachzudenken. Nachdem der Karren richtig im Dreck ist, eskaliert man den Fall und wartet ab. Kommt dann wer immer den Fall übernimmt zu Einem und fragt, welcher Teufel einen geritten hat, einen solchen Schwachsinn mit dem Kunden zu veranstalten, verwendet man die Zauberformel: Anweisung vom L2. Dagegen ist nichts zu sagen.

Eine der erstrebenswertesten Tätigkeiten im unteren Bereich ist die des Mentoren. Mentoren sind Anlaufpunkte für die Leute in der first line, diejenigen also, die Anrufe entgegennehmen. Mentoren sind technisch versierte, oftmals langjährige ehemalige Frontliner. Sie übernehmen Teile des Trainings, kompliziertere technische Probleme, die nicht eskaliert werden können oder auch schwierige Kunden, mit denen unerfahrene Mitarbeiter überfordert sind.

Oftmals werden sie auch verantwortlich gemacht für die Qualität des angebotenen Service, sprich sie hören in Anrufe rein oder überprüfen die Logs der einzelnen Mitarbeiter. Sollte es grobe Abweichungen vom Standard geben, reden sie dann auch mal mit den betreffenden Kollegen und klopfen ihnen auf die Finger.

Als Mentor hat ständig mit Leuten zu tun und mit dem Telefon eigentlich nichts mehr zu schaffen. Zumeist ist man respektiert und hat angenehme Arbeitsbedingungen. Oben drauf kommt, dass einem eigentlich niemand mehr etwas zu sagen hat und trotzdem hat man nur wenige Verantwortung – so wie ich die Sache sehe ein perfekter Job.

Trainer

Etwas anstrengender aber auch sehr befriedigend und deshalb begehrt sind Trainerstellen. In Irland sind Trainer zumeist keine studierten Profis sondern Autodidakten, die es irgendwie geschafft haben, einen Job im Trainingsdepartment zu bekommen. Die Arbeitsbedingungen sind ideal, jeder kennt einen und so wird man von jedem freundlich gegrüßt.

Wenn man zudem einigermaßen gut ist, mögen einen die meisten Leute in der Firma und man wird allenthalben beneidet. Bei der traditionell hohen Frauenquote in solchen Zentren schmeichelt das natürlich auch dem Ego, super Sache das also.

An einen solchen Job zu kommen ist allerdings schwierig und man sollte nicht unterschätzen, dass man der Typ dafür sein muss, um Spaß zu haben. Viele Leute halten sich für begabte Trainer, tatsächlich geben tut derer aber nur sehr wenige. Trainer müssen vor allem Entertainer sein und erst in zweiter Linie gute Lehrer.

Schließlich hat man es im Klassenzimmer mit Erwachsenen zu tun, die mindestens zehn Jahr Schule abgerissen haben. Denen macht man nicht lange was vor, das sind Haie. Die merken schnell, ob man ein Langweiler ist oder noch schlimmer ein Dünnbrettbohrer beziehungsweise intellektueller Wattwanderer. Unbedarfte Wichtigtuer lernen im Angesicht von kritischem Publikum schnell, dass so ein Training auch zur öffentlichen Hinrichtung werden kann.

Teamleader

Teamleader sind die allerärmsten Schweine, die es im Call Center gibt. Sie sind die Pufferzone zwischen den Wünschen des Management und den Fähigkeiten der Leute, die in dem Laden die Arbeit machen, den Agents. Dabei denken die meisten Teamleader, sie wären die Chefs. Weit gefehlt, im Prinzip können sie gar nichts außer lehre Drohungen ausstoßen und sobald sie an Arschlöcher wie mich geraten, wissen sie das auch.

Ich sehe Teamleader als verkrachte Existenzen, die technisch zu unbedarft sind, um einen richtigen Job zu kriegen, also geiern sie auf Pseudomanagementpositionen. Als Teamleader versauern sie dann, sind sozial isoliert weil unbeliebt und lernen schnell, dass sie immer noch kleine Räder im großen Getriebe sind.

Sie haben nichts zu sagen und müssen sich nicht nur mit den “Untergebenen” gut stellen, sondern auch noch mit dem Chef, dessen Arbeit sie zumeist mit erledigen. Nach oben hin Ä… küssen zu müssen ohne nach Herzenslust Tritte nach unten austeilen zu können, stelle ich mir ziemlich frustrierend vor. Wahrscheinlich sind Teamleader deswegen so oft Versagergestalten. Intelligente Menschen halten das einfach nicht aus.

Natürlich ist das eine etwas drastische Darstellung und stimmt so nicht ganz. Mann könnte die Darstellung gar als überspitzt bezeichnen. Allerdings und ich schwöre bei Buddha, kenne ich solche Teamleader tatsächlich und im großen und Ganzen stimmt, was ich sage.

Tipps zum Umgang mit dem Chef

Fairerweise gebe ich zu, dass es Ausnahmen von der Regel gibt. Ich habe durchaus auch fähige Teamleader getroffen und das merkt man daran, dass sie es nicht lange waren, sondern geradezu gezwungen wurden, Karriere zu machen. Und da sie es richtig angestelt haben, war es ihren leuten geradezu ein Bedürfnis, a) gute Arbeit zu leisten und b) den TL auch zu Parties einzuladen. Und wenn ich das jetzt nicht geschrieben hätte, würde mir meine alte Freundin und Teamleaderin C. bei nächster Gelegenheit sicher eine in die Dings hauen. Sie ist nämlich ‘ne Gute. 🙂

Zurück zum Normalfall und dem Alltag. Im Umgang mit Teamleadern muss trotz alledem aufpassen, gewisse Möglichkeiten haben sie schließlich schon. Wenn also dein Teamleader sich vor dir aufbaut und sagt: “Seamus, ich erwarte von dir, dass du dich an die Regeln dieses Unternehmens hältst. Wir machen die Dinge hier so wie ich will und das gilt auch für dich.”, gibt es nur eine richtige Reaktion: Verständnisloses Kopf schütteln. Dazu bringt man dann den Spruch: “Selbstverständlich! Mir wäre nie etwas anderes in den Sinn gekommen.”

Damit nimmt man ihnen den Wind aus den Segeln, sie haben das Gefühl, dass man sie Ernst nimmt. Man selbst macht dann natürlich weiter wie bisher und lässt den Chef reden. Sollte besagter Teamleader tatsächlich die Taktlosigkeit besitzen, einen noch mal damit zu belästigen, macht man einfach einen auf Idioten. Fragen wie: “Was meinst Du?”, kommen immer gut an. Wie gesagt, viel machen können Teamleader nicht und wenn man völlig ambitionslos ist und im Call Center arbeitet, weil man so am Leichtesten sein Geld verdient, haben sie einen schweren Stand.

Anmerkung: Der Autor arbeitet ohne große Karrieresprünge seit Jahren im Call Center und hatte schon immer ein gespanntes Verhältnis zu Autorität 🙂

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