Fluchen ohne anzuecken ist in Irland ganz leicht. Das ist hier keine Hexe sondern meine alte Freundin Dani.

Fluchen ohne anzuecken ist in Irland ganz leicht.

König Patsy und SeamusVeröffentlicht von

Irland ist, wie wir mittlerweile wissen, erzkatholisch. Das ist an sich nicht Schlechtes, allerdings ist man hier so katholisch, dass es selbst dem Papst graust. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Stadtbild sondern auch auf die ganz alltägliche Umgangssprache. Natürlich fluchen Iren mindestens genauso gern wir ihre ungeliebten Nachbarn eine Insel weiter, doch ist man auf den feinen Unterschied bedacht. Fluchen ohne anzuecken ist in Irland ganz leicht, mann muss allerdings wissen wie. Und das muss man erst einmal herausbekommen.

Während in zum Beispiel London das nicht weiter böse gemeinte fuck integraler Bestandteil eines korrektgebildeten englischen Satzes zu sein scheint, ersetzt man selbiges in Dublin durch Jesus Christ.

Der in seiner deutschen Entsprechung “verdammte Mist” wird hier zu for Christs sake oder auch einfach Jesus Christ (ausgesprochen Jiiiises Chreist). Man gewöhnt sich schnell dran. Wollte man also jemanden freundlich darauf hinweisen, dass er von etwas die Finger lassen soll, klänge das in etwa so: Jesus Christ I told ya not to touch that damn thing. Klingt doch gar nicht so böse oder? Ich sag ja, Fluchen ohne anzuecken ist in Irland ganz leicht.

Und spontanes Fluchen?

Wie jedoch drückt man sich korrekt aus, wenn man spontan von einem Gefühl des “das lief gerade nicht besonders” übermannt wird? Fuck, was tatsächlich viel eher dem deutschen “Mist” entspricht als dem scheinbar offensichtlichen, gilt als ausgesprochen rude (unhöflich). Das wollen wir natürlich nicht sein. Englischsprachige Zeitgenossen sind nämlich – und das gilt sowohl für England als auch Irland – an sich eher höflich und offiziell existiert so etwas wie fluchen sowieso nicht. Hier offenbart sich ein Dilemma.

Man muss das vielleicht erklären. Insulaner sind etwas schizophrän in dieser Beziehung. Oberflächlich hat man den Eindruck, dass sie permanent fluchen, ihr Vokabular zu mindestens 50 Prozent aus Schimpfwörtern besteht, auf der anderen Seite ist man im Umgang miteinander so höflich, dass man sich als Deutscher schnell in einem schlechten Film glaubt. Grauselig! Es ist mir bis heute nicht gelungen das Rätsel dieser Doppelzüngigkeit zu lösen. Am besten scheint man als Ausländer zu fahren, wenn man einfach gar keine Fäkalsprache benutzt. Als Nicht-Muttersprachler kommt man damit durch.

“Selbstverständlich”, mag da einer sagen, so selbstverständlich ist es aber gar nicht. Ich hatte bisher viel eher den Eindruck, dass es als ausgesprochen taktlos gilt, in bestimmten Situationen nicht zu fluchen. Das Problem ist natürlich, irgendwie herauszufinden, wann man was sagen sollte. Einen Leitfaden scheint es nicht zu geben.

Vorsicht bei Fußball

Folgende Anekdote mag dies illustrieren. In einem Pub schaut eine ganze Gruppe fußballbegeisterter Damen und Herren mittleren Alters ein Spiel der Nationalmannschaft. Es läuft nicht besonders. Mit Blick auf den Bildschirm und zu sich selbst sagt nun einer der Anwesenden: “They couldn’t score in a fucking brothel and they call themselves the national team!” (Frei übersetzt: Die könnten selbst im Puff keine Nummer zustande bringen) Das bringt die Sache ziemlich auf den Punkt. Wer nun denkt, dass diese Situation geeignet ist, zu zeigen was man für tolle Schimpfwörter aufgeschnappt hat irrt.

Man könnte ja denken, dass ein Spruch wie: “I’ve seen one-legged, drunken whores at the docks playing better football than this.” (muss ich das übersetzen? Geht so in die Richtung: Ich habe einbeinige Prostituierte am Hafen besser Fußball spielen sehen. Und die waren volltrunken) etwas Stimmung oder zumindest beifälliges Gemurmel ernten würde. Tut es aber nicht. Ganz im Gegenteil sogar, man würde allerhöchstens verständnislose Blicke ernten, die Mehrheit der Anwesenden wäre “disgusted”, angewidert also.

Auf die einigermaßen witzige, sicherlich zutreffende wenn auch mit diversen Schimpfwörtern versetzte Eingangsbemerkung über die Nationalmannschaft und ihre mangelnde Fähigkeit “einen rein zu machen” antwortet man am Besten also völlig konträr und ausgesprochen höflich mit zum Beispiel: “Well our boys in green don’t do that well today I’m afraid. Do you fancy a pint?” Alles andere wäre “not appropriate” – unangemessen. Da blicke noch einer durch.

Die Engländer sind schuld

Nun wäre ich nicht Seamus, hätte ich nicht eine Theorie diesbezüglich. Wie gesagt, von Kommentator 1 wurde praktisch erwartet, dass er flucht. Schließlich muss man seiner Enttäuschung über den lausigen Auftritt des geliebten Teams irgendwie Ausdruck verleihen. Sprecher 2 hat allerdings genauso selbstverständlich höflich und allerliebst zu antworten. Wir sind ja polite (höflich). Wie kann das sein?

Vielleicht hat es was mit der irischen Seele zu tun. Wahrscheinlich dürfen in Irland traditionell und eigentlich nur Hexen fluchen (von Berufs wegen also) und es gilt im alltäglichen Umgang immer und ganz grundsätzlich als verwerflich. Da man von Hause aus aber aufmüpfig ist, flucht man quasi aus Prinzip; nicht viel aber halt ein bißchen.

Demnach sind Iren immer und überall höflich, ganz ganz liebe Menschen und das angelegentliche Fluchen aus Aufmüpfigkeit ist – ich bin übrigens sehr stolz auf diese Deduktion – ein Erbe aus der Besatzungszeit. Damit wären dann die Engländer Schuld. Das haben wir eigentlich schon geahnt. Als Ire muss man gelegentlich Scheiße sagen, weil man sonst suspekt ist, meint aber eigentlich Sakrament und damit schließt sich der Kreis.

Ich sollte wohl anmerken, dass dies nur eine Arbeitshypothese ist und das eingangs geäußerte Problem in keinster Weise löst. Wir wissen immer noch nicht, wie man korrekt Scheiße sagt, wenn man sich zum Beispiel den Zeh stößt, sich aus Versehen aussperrt, verbrennt, seine Gefühle dem Finanzamt gegenüber ausdrücken möchte oder nach einer durchzechten Nacht in einem fremden Zimmer aufwacht? Ich denke die Frage ist berechtigt und die Welt (Irland) hat Jahrhunderte darauf gewartet, dass sie endlich mal jemand formuliert. Immerhin, wir sind hier auf der grünen Insel. Da hängen keine Gemälde barocker Meister an der Wand sondern Poster mit dem Konterfei des Papstes. Hier gelten T-Shirts mit der Aufschrift FCUK als cool.

Angesichts solch wunderschön naiver Aufmüpfigkeit – das nur als Randbemerkung – überlaufen uns Kinder der 68’er Generation übrigens geradezu wohlige Schauer. Ganz ehrlich, da stinken wir ab. Unsere Elterngeneration hat Kiffen für den Weltfrieden erfunden und “Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment”.

In Anbetracht von Aids mussten wir uns was anderes einfallen lassen. Um es unseren Eltern mal richtig zu zeigen sind manche von uns also Anwälte geworden (Ein Schlag ins Gesicht für jeden überzeugten Hippievater), der Rest hat erst den Kommunismus gestürzt und dann Kohl. Dadurch haben wir es uns sowohl mit den Linken verdorben als auch mit Mitte-Rechts, was unsere politische Positionierung zugegeben schwierig macht. Vermutlich war Guido Spaßpartei Westerwelle ein Resultat unserer politischen Odyssee im Niemandsland und dann kommen unsere Kinder mit FCUK. Da haben sie uns ordentlich einen eingeschenkt würde ich sagen. Das ist aber nur ein Gedanke am Rande.

Political Correctness

Zurück zum politisch korrekten Fluchen. Es heißt hier übrigens PC (ausgesprochen pißí). Bei dem Kürzel denkt man in Deutschland zu allerest sicherlich an einen Computer, im englischsprachigen Ausland hat man eher die Assoziation mit political correctnes, höflichem Umgangston also. Ein Blick ins Wörterbuch hilft leider nicht weiter. Selbst das sonst in allen Lebenslagen ganz famose LEO mit über 400.000 Einträgen hat keinen wirklich nützlichen Ratschlag parat.

Crap trifft es nicht, shit – eine naheliegende Übersetzung – ist völlig unakzeptabel, fuck ausgesprochen unhöflich. Was machen wir da? Seien wir ehrlich, es muss eine umgangssprachlich akzeptabele Entsprechung geben. Schließlich klingen viele Sätze geradezu unvollendet ohne die böse Silbe und wenn einem unerwartet etwas schlechtes widerfährt ist der Drang *** zu rufen geradezu übermenschlich.

In meiner Ratlosigkeit wandte ich mich schließlich an eine alte Freundin aus Reading in England. Sie hat Politologie und englische Sprache studiert, sollte also in der Lage sein, mich in dieser Hinsicht zu erleuchten. Und das tat sie.

Die Lösung – und das ist eine Warnung an Leser mit schwachen Nerven – ist grandios, überraschend, genial und sehr , sehr englisch. Langer Rede kurzer Sinn, voller Stolz präsentiere ich hier das Ergebnis monatelanger Recherche: Es ist das kleine Wörtchen feck.

Fluchen ohne anzuecken ist in Irland ganz leicht. Mann muss nur wissen wie.

Da simme platt. Stimmts? 🙂