Die Titanic wurde von Profis gebaut

Irren ist menschlich (und vor allem männlich)

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Man sagt Menschen ja nach, dass sie bis zu einem gewissen Grade lernfähig sind. Frauen glauben, dass dies auf Männer nur bedingt zutrifft. Und vielleicht haben sie auch recht. Irren ist menschlich und vor allem männlich. Aber völlig unbelehrbar sind wir nicht.

Es ist ja nicht so, dass wir denselben Fehler immer und immer wieder machen. Hochzeitstage und romantische Jubiläen nicht zu vergessen, ist von dieser Regel explizit ausgenommen! Dafür haben Dreibeine einfach keinen Sinn, wir reden hier von wichtigen Sachen.

Nehmen wir mal ein einfaches Beispiel: Basteln. Ich bin nun nicht der Handwerker vor dem Herrn, aber manchmal muss man halt mal ran und eine Kleinigkeit reparieren. Es ist weithin bekannt, dass technische Vermögen, handwerkliches Geschick und die Fähigkeit, Dinge rein intuitiv und ohne Kenntnis der Materie in Betrieb zu nehmen und nach etwaigen Fehlversuchen zu reparieren, Gaben sind, die jedem ordentlichen Mann vom lieben Gott (männlich) in die Wiege gelegt werden.

Genau aus diesem Grund werden Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen übrigens nur für Frauen geschrieben und im Deutschen folgerichtig mit einem weiblichen Artikel versehen.

Übertroffen wird dieses unser Geschick eigentlich nur noch von unserem Talent, uns grundsätzlich nie zu verfahren und daher auch nie nach dem Weg zu fragen. Wie wir Männer so sind halt. Das Prinzip ist ein universelles und gilt daher uneingeschränkt auch hier bei uns auf der Grünen Insel.

Mann repariert nach Gefühl

Nun ist es so, dass selbst dem größten Genie mal ein Fehler unterläuft. Da kommen wir dann zur sogenannten Lernfähigkeit. Nehmen wir also mal an, ich reparierte ein Türschloss. Schraubenzieher und Hammer trage ich eigentlich immer am Mann, was braucht man mehr?

In diesem ganz speziellen Fall schaffe ich es also, das Türschloss mit ein wenig schrauben und ein paar energischen Hammerschlägen – ein bisschen Spaß muss schließlich sein – zu demontieren und widme mich dem Defekt an sich. Nach ein wenig Analyse und am Kopf Gekratze ist Problem schließlich erkannt, mit ein paar energischen Hammerschlägen auch schnell behoben. So weit läuft also alles ganz so, wie Mann es erwarten kann.

Was nun folgt, ist der ungleich schwierigere Teil: Zusammen- und Einbau. Unter (männlichen) Schlossern und Bastlern gilt es als Ehrensache, dass man Klein- und Ersatzteile nicht etwa systematisch ablegt, sondern immer genau da, wo man gerade steht oder kniet.

Gerade bei eher profanen Reparaturen, greifen wir exemplarisch einfach mal Türschlösser, Autogetriebe, mechanischen Uhren und Interkontinentalraketen heraus, besteht die eigentlich Herausforderung für den Bastler darin, die überall verstreut liegenden Bauteile zu finden und dem richtigen Modul zuzuweisen. Besonders Kleinteile haben bekanntlich die Tendenz, sich spontan in Luft aufzulösen.

Mann improvisiert

Um auf unser willkürlich gewähltes Beispiel zurück zu kommen: Nach einer halben Stunde basteln, ist der Stift für die Türklinke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weg. Erfahrene Ehefrauen wissen sicher, wovon ich spreche. Mann muss sich in so einer Situation also was einfallen lassen. Es gibt dafür eine sehr männliche Vokabel, sie heißt “workaround”.

Was macht Mann ohne den passenden Stift für die Türklinke also? Richtig, er nimmt ein Streichholz und arretiert die Klinke damit. Ein kurzer Test überzeugt uns vom Erfolg der Maßnahme, das Türschloss tut wieder.

Bei nächster Gelegenheit fliegt Mann – und auch das wird unsere weiblichen Leser nicht überraschen – böse auf die Nuschel, weil so ein Streichholz einer größeren Belastung natürlich nicht standhält. Wenn man die Tür mit der stolz geschwellten Brust eines erfolgreichen Handwerkers und der ihr inne wohnenden Dynamik zuzieht, fällt die Klinke halt ab.

Was ist nun wohl Mannes Reaktion auf so etwas, abgesehen davon, dass er sich die Delle im Gesicht kühlt? Mann jammert ein wenig, ärgert sich und klagt über die minderwertige Qualität moderner Streichhölzer. Er – und das ist wichtig für diese Argumentation – würde sicher aber was aus der Geschichte lernen. Beim nächsten Mal würde er den Stift zwar wieder verlegen, sicher aber einen Nagel, zumindest aber zwei Streichhölzer statt einem verwenden. Männer sind ja nicht doof.

Elektrizität gegen Mann. Was denkt ihr wer gewinnt?

Mann lernt nie aus

Mann hat also dazu gelernt. Es geht doch. Spinnen wir das Szenario weiter, ergeben sich da ungeahnte Perspektiven. Mit jeden weiteren Fehlversuch im Haushaltsbereich steigt zwangsläufig auch der Grad von Kompetenz, im Laufe der Zeit und vorausgesetzt er zieht sich keine schwereren Verletzungen zu, kann Mann es sogar zu einem anständigen Handwerker bringen.

Und sollte jetzt jemand einwerfen, dass Mann alternativ auch nachlesen und gewisse Fehler vermeiden könnte, dann lasse dir gesagt sein (Frau): Nein, es ist einfach nicht dasselbe. Manche Erfahrung muss Mann selbst machen und nur auf solchem Boden wachsen Hochkulturen. Im Englischen nennt man das übrigens “try and error”.

Nun ist oben genanntes Beispiel natürlich nicht frei erfunden. In Wahrheit war es so, dass nicht ich auf die Fresse geflogen bin, sondern mein damaliger Lehrmeister. Er fand das nicht halb so lustig wie der Rest der Mannschaft, doch die mir in diesem Zusammenhang erteilte Lektion war eine andere. Ich will nicht abschweifen, schließlich geht es hier um Irrland.

Die Quintessenz der Geschichte ist: Manche Fehler muss man zwar selbst machen, doch nachdem Mann sich im häuslichen Bereich bzw. als Lehrling die Hörner abgestoßen hat, könnte er durchaus die oft hart erworbenen Erfahrungen und Fertigkeiten nutzen und gegen ein gewisses Entgelt einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Man nennt diese Menschen: Handwerker.

Der Handwerker (Mann)

Wir ahnen es an dieser Stelle, in Irrland laufen die Dinge anders und das Ergebnis ist allemal sehenswert.

Das nun folgende ist eine wahre Geschichte und sie alles andere als untypisch. Der Held unserer Geschichte ist Paddy. Er ist seines Zeichens Elektriker, zumindest steht das auf seinem Lebenslauf.

Um in Deutschland Elektriker zu werden durchläuft man eine mindestens zweijährige, umfassende Berufsausbildung, so war es zumindest früher. Mittlerweile sind es sicher drei Jahre. Nach Lehre und Gesellenjahren besucht man dann die Meisterschule und macht sich selbstständig. So oder so ähnlich läuft es meist.

In Irland scheint man sich zuerst selbstständig zu machen und sich dann selbst zum Elektriker auszubilden. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest, wenn man sich die Verkabelung in irischen Häusern ansieht. Abenteuerlich wäre ein Euphemismus, den ich in diesem Zusammenhang nicht zu verwenden wage. Doch bleiben wir bei unserem freundlichen Elektriker Paddy.

Der Fachmann

Er war ein schon gestandener Elektriker mit jahrelanger Berufserfahrung und der Sinn stand ihm nach einem festen Einkommen. Er bewarb sich also bei einem HiFi Shop als Hauselektriker.

Der Laden im Süden Dublins verkauft in der Hauptsache hochwertige Elektronik und bietet seiner zahlungskräftigen Klientel einen entsprechenden Installationsservice. In Anbetracht der Summen, die bei einem solchen Geschäft den Besitzer wechseln, ist das Ehrensache.

Paddy freute sich auf einen ruhigen Job und die Besitzer des Geschäftes darauf, dass sie die Anlagen nicht mehr selbst einbauen mussten. Das kann sich nämlich zu einem mühseligen Geschäft entwickeln, vor allem wenn man es richtig macht. Paddy gegenüber scheinen sie dies nicht erwähnt zu haben, vor allem den Teil mit: “wenn man es richtig macht.”

Eines schönen Tages kam nun ein Kunde ins Geschäft und erwarb einen gewaltig großen Plasma – Farbfernseher mit dazu gehörigem Soundsystem. Geld spielte bei dem Kunden keine Rolle. Er wollte, dass der Fernseher in eine Nische in der Wand eingelassen wird und so praktisch mit ihr verschmilzt. Kein Problem, schließlich gibt es für so etwas entsprechende Einbaurahmen, Paddy’s große Stunde schlug, er wusste nur noch nichts von seinem Glück.

Der Spezialist

Der Chef erklärte Paddy kurz, was zu tun ist, der nickte und zog los. Vor Ort angekommen stellte Paddy nun fest, dass der Einbau eines Rahmens ein gewisses Geschick erfordert und das nicht unerhebliche Risiko bestand, dass die Sache ernsthaft in Arbeit ausarten würde. Wenig überraschend war das nicht nach Paddy’s Geschmack, er suchte also nach einem Alternativplan.

Da der einzige noch lebende Zeuge dieser Begebenheit aus wie ich finde naheliegenden Gründen schweigt, ist der genaue Hergang dessen, was nun folgte, nicht mehr zu eruieren, doch eigentlich ist das auch unerheblich. Das Resultat zählt.

Ob nun zufällig oder Teil eines größeren Plans, auf jeden Fall begab es sich, dass Paddy in seinem Handwerkskoffer eine Tube Supidupiichgehniewiederab-Kleber hatte. Wozu ein Elektriker so etwas braucht, mag sich einem Amateur nicht gleich erschließen, doch ahnt ihr sicher, was nun folgte.

Paddy, Elektriker aus Leidenschaft und Fachmann vor dem Herrn, befand, es wäre wesentlich einfacher, den Fernseher einzukleben, als zu den dafür vorgesehenen Rahmen zu verwenden. Er stöpselte also die Boxen ein und den Stromstecker, dann trug er eine dicke Schicht von dem Superkleber auf und setzte den Fernseher in die Nische ein. Das Ergebnis war vorzeigbar, sprich es fiel nicht auf. Damit hatte er seiner Pflicht genüge getan und zog ab.

Das Ergebnis bestimmt den Erfolg

Nun mag Paddy’s Einsatz unprofessionell sein, wäre aber nicht weiter aufgefallen. So sind Handwerker nun mal und schließlich und endlich sind wir hier auf Irland. Das Problem an der ganzen Sache war, dass Paddy den Fernseher nicht ausprobiert hatte, bevor er ihn einklebte. Nachtigall ick hör dir japsen, wird da mancher sagen und so kam was kommen musste.

Im Gegensatz zu Paddy betrachtete der potente Käufer seinen nagelneuen Fernseher nämlich nicht nur als Dekoration, sondern wollte ihn tatsächlich auch benutzen. Und das versuchte er dann, leider nicht mit dem gewünschten Erfolg. Einer der beiden Audioausgänge war offensichtlich kaputt, entsprechend armselig war, was dort aus dem Boxen tönte. Der Kunde kontaktierte also das HiFi Geschäft und reklamierte das Gerät. Kein Problem sagte Ladenbesitzer C, wahrscheinlich sei bloß der Stecker lose. Er rief Paddy an.

Nachdem er die Problematik erklärt hatte, bat er Paddy, doch bei dem Kunden vorbei zu schauen und das Problem zu beheben. Würde er gern sagte Paddy, aber er fühle sich nicht so dolle. Ladenbesitzer C. wunderte sich zunächst etwas über die Antwort, nachdem er aber gesehen hatte, was Paddy unter Einbau eines Fernsehers verstand nicht mehr.

Der Fernseher musste aus der Wand herausgebrochen werden, geschätzter Schaden 15.000 Euro. Paddy ward nie wieder gesehen und arbeitet heute wahrscheinlich auf einer anderen Baustelle. Fachkräfte werden immer gebraucht. Und wenn ihr jetzt denkt, dass sich ein Ire über eine solche Geschichte in irgendeiner Form wundern würde, seid ihr schief gewickelt. Das ist normal und beschränkt sich durchaus nicht auf solche Kleinigkeiten.

Es geht immer noch eine Nummer größer

Ein Freund von mir ist Fotograf und er bekam den Auftrag, einen gerade fertig gestellten Büroturm zu fotografieren. Kein Problem sagte er und machte sich an die Arbeit. Als der Architekt das Ergebnis sah, war er nicht zufrieden. Die Kanten seines Hochhauses wirkten irgendwie schief. Er konsultierte also meinen Freund S. und wies ihn darauf hin. Der Architekt war selbst Hobbyfotograf, er glaubte das Phänomen zu kennen. Es heißt Tonneneffekt und ist typisch für Weitwinkelobjektive.

Die Beiden besprachen also das Problem. Im Verlaufe dieses Gesprächs wies mein guter Freund S. den Klienten darauf hin, dass a) er ein Profi sei (was stimmt) und b) dass die auf den Fotos sichtbar krummen Außenkanten des Baus seien einzig und allein dem Umstand geschuldet, dass der Büroturm krumm und schief gebaut sei. Der Architekt bezweifelte dies natürlich, also fuhren Sie vor Ort.

Was denkt ihr nun, war das Ergebnis dieses Ausfluges? Wenn ihr jetzt ernsthaft denkt, dass es an dem Objektiv des Fotografen lag, lautet meine Antwort: Sechs, setzen.

S. hatte Recht, das Haus war schief und das konnte dann auch der Architekt nicht mehr leugnen. Mein Freund S. erhielt also einen Folgeauftrag, bei dem es darum ging, das Gebäude so in Szene zu setzen, dass zumindest auf den Bildern nicht auffiel, wie krumm die Fassade war. So einfach löst man also Probleme.

Wo kein Kläger …

Hatte ich schon erwähnt, dass man sich in Irland einfach so zum Architekten erklären kann? Wozu studieren? Solange man gute Verbindungen hat, trinkfest ist und gerne viel Geld verdient, kann man auch erfolgreicher Architekt sein (zumindest hier). Das für mich Überraschende an der Sache ist, dass Bauherren – irgendeiner muss für den Mist ja schließlich bezahlen – sich so etwas bieten lassen. Und Häuser sind alles andere als billig. Muss an der Mentalität liegen. Die sind froh, wenn es nicht einstürzt.

Irren ist menschlich und man lernt normalerweise ja auch aus seinen Fehlern. Deswegen wächst man mit ihnen. In einem Land, wo die Leute sich fast grundsätzlich nicht beschweren, ist genau das aber schwierig.

Da ist es halt normal, dass in einem Feuchtraum nur die Mitte gefliest ist und wenn dann der auf längere Sicht unausweichliche Wasserschaden passiert, verdient er seinen Namen auch. Und selbstverständlich gehen Fenster nach außen auf, sonst müsste man sie ja putzen. Der Ire fährt erst Auto und macht dann den Führerschein, Straßen werden erst geteert und dann wird die Kanalisation gelegt und natürlich wird erst gebaut und dann geschaut, ob es passt. Wo kämen wir sonst hin?

Irland ist das Paradies und besonders für Leute wie mich. Hier haben wir immer was zu lachen und solange einem der Chef keine böse Absicht nachweisen kann, hat man seine volle Unterstützung, egal wie dämlich man sich anstellt.

Ich glaube, dass vor allem deswegen die Iren zu den glücklichsten Menschen der Welt gehören. Hier wird nicht gejammert. Wenn es mal richtig schlecht läuft, geht man ins Pub und schon sieht die Welt wieder freundlicher aus. Was gestern war, ist eh vorbei und was morgen kommt, sehen wir dann.