Frische
Luft - eine Zwischenbilanz
Ich
gebe offen und ehrlich zu, dass ich leichte Probleme habe,
dem Rauchverbot viel abzugewinnen. Die Pubs sind nicht mehr
dasselbe und etliche sind durch das Verbot ziemlich ins
Schleudern geraten. Besonders die traditionellen Pubs, der
Laden um die Ecke, in denen Liebhaber des schwarzen Goldes
zum Teil seit Jahrzehnten sitzen, schwätzen, zechen
und rauchen, haben mit dem Verbot zu kämpfen. Es macht
einfach keinen Spaß, wenn man alle Nase lang rausrennen
muss.
Außerdem
sind besonders diese Läden von einem Phänomen
betroffen, dass bisher niemand warnahm: Pubs stinken! Besonders
die "local Pubs", Wahrzeichen irischer Lebensart
in denen Kneipenphilosophen und Gelegenheitstrinker sich
ein Stelldichein liefern, stinken wie die Pest. Die Mischung
aus altem Bier und frischen Furzen ist nicht angenehm. Die
Frage, die mir kein Nichtraucher bisher beantworten konnte
ist: Wären ein obligatorischer Rauchabzug und entsprechend
gekennzeichnete Raucherecken nicht die wesentlich bessere
Lösung gewesen?
Für
uns Raucher ist es gar nicht so das Problem. Traditionell
riechen Raucher eh nicht so viel und außerdem sind
wir jezt viel an der frischen Luft. Die meisten Pubs habe
zudem draußen Heizungen aufgestellt, es lässt
sich also aushalten. Nichtraucher sind derweil ins soziale
Abseits gedrängt. Das Leben tobt draußen. Man
lernt so viele Leute kennen bei seinen Besuchen vor der
Tür. Es ist faszinierend.
Bei
einer Zigarette und als Opfer derselben Willkür schwatzt
es sich prima. Statt über irgendeinen Aufreißspruch
nachzudenken, beginnt man einfach mit etwas unverfänglichen
wie: Im Sommer hat mir die Posse wirklich nicht viel ausgemacht,
aber wenn Bertie (der irische Premierminister) auf diese
Art etwas für meine Gesundheit tun will ... ich weiß
nicht. Dann schwätzt man etwas über das Wetter
und schon hat man sich kennengelernt. Meine nichtrauchenden
Freunde sitzen derweil drinnen im Warmen und diskutieren,
ob das Odeur, dass soeben ihre Nasen beleidigte von einem
Guinness- oder Lagertrinker stammt. Wer also sind die Verlierer
in diesem Spiel? In gewissem Sinne die Raucher, weil wir
uns bei dem Scheisswetter den Tod holen, aber trotzdem würde
ich nicht tauschen wollen.
Zieht man Bilanz, gibt es ohnehin nur Verlierer. Der Staat
verdient weniger Geld a) Einbrüche bei der Tabaksteuer
- die Leute rauchen tatsächlich weniger b) Einbrüche
bei der Alkoholsteuer - die Leute gehen einfach weniger
weg. Für die Pubs? Katastrophe - auch sie verdienen
weniger, nur dass sie neuerdings erheblich höhere Kosten
haben. Im Kampf um Kunden müssen sie seit dem Verbot
auch den Parkplatz heizen. Anders hält man es als Raucher
- und die stellen nun mal die Mehrheit unter den Barfliegen
- draußen nicht aus. Und da kommen wir gleich zum
dritten Verlierer - die Umwelt. Vom ökologischen Standpunkt
ist es natürlich grober Unfug, draußen Heizungen
aufzustellen, trotztdem geschieht es und wird weiter geschehen.
Einer
der großen Verlierer ist außerdem der Tourismus.
Aufgrund der zum Teil recht unverschämten Preise war
selbiger ohnehin schon rückläufig, das Rauchverbot
hat auf keinen Fall geholfen. Für die meisten Menschen
verbindet sich mit Irland halt das Bild von grünen
Hügeln, verwunschenen Burgen, Schafen, freundlichen
Menschen und trunkenem Musizieren im verrauchten Pub. Die
Zeiten sind offenbar vorbei.
Natürlich
verlieren Brauereien und Tabakindustrie Unsummen, überall
in den Straßen liegen Zigarettenkippen herum und das
alles wofür? Die Klamotten stinken am nächsten
Morgen nicht so nach Qualm und - so man sich keine Lungenentzündung
geholt hat - hustet man als Raucher weniger. Dafür
beginnt man den Tag dann mit einer Zigarette statt bis nach
dem Frühstück zu warten. Ist es das Wert?
Bemerkenswert
ist eigentlich nur, dass es kaum Widerstand gegen das Gesetz
gibt. Die Raucher haben sich darauf eingestellt, die Nichtraucher
an den Gestank gewöhnt. Ob Gastronomen klagen, ist
den meisten egal und auch sonst gibt es wenig Beschwerden.
Die Einzigen, die ernsthaft jammern, sind diejenigen, die
das ganze Schlamassel zu verantworten haben.
Natürlich
ist die Regierung voll des Lobes über ihr Gesetz. Doch
während man sich noch selbst in den höchsten Tönen
pries, wurde schon deutlich, dass man einen wesentlichen
Punkt übersehen hatte. Die weisen Regenten der Insel
wurden von einer - wenn man darüber nachdenkt - logischen
Konsequenz des Verbots überrascht: Die Leute rauchen
tatsächlich weniger und natürlich fällt entsprechend
weniger Tabaksteuer an. Immerhin kostet ein Päckchen
hier rund 6 Euro. (Nachtrag, heute 2008 sind es knapp 8
Euro)
Da
man im irischen Haushalt keine Verschuldung zulässt
- was ich übrigens sehr löblich finde - machte
man sich sogleich ans Werk, alternative Geldquellen aufzutun.
Leider stellte man schnell fest, dass schon alles besteuert
ist, was es zu besteuern gibt und das nicht zu knapp. Über
der Lösung des Finanzproblems sitzt man wie ich hörte
noch immer.
Tatsächlich
denkt man anscheinend darüber nach, sich von dem Konzept
der niedrigen Lohnsteuer zu verabschieden. Ob das so eine
gute Idee ist kann, ich nicht beurteilen. Vielleicht wäre
es aber doch besser, den Blick einmal nach hinten zu werfen.
Wie in Deutschland die SPD hat man auch auf der grünen
Insel in den letzten Jahren einigen ideologischen Ballast
über Bord geworfen. Die SPD verabschiedete sich vom
Konzept sozialer Gerechtigkeit, Irland vom ruhigen und beschaulichen
Leben an Europas Peripherie. Tatsächlich richten sich
die Augen immer wieder auf Irland, wenn es zum Beispiel
um Volksentscheide über EU-Beitritte geht oder eben
ein totales und flächendeckendes Rauchverbot.
Irland
steht für ein beschauliches Leben viel zu oft im Rampenlicht.
Das kann nicht gut sein. Niemand lässt sich gern auf
die Finger gucken. Solange alle dachten, Irrland wäre
eine kleine unbedeutende Insel voller Suffköppe und
Gelegenheitsmusiker konnte man prima die Brüsseler
Fördertöpfe abzocken und fünfe gerade sein
lassen. Mit solch unkonstruktiven und publicity heischenden
Aktionen hat man sich um selbst ins Knie geschossen. Den
Iren mag es besser gehen als je zuvor, glücklicher
sind die Menschen in den letzten 20 Jahren aber nicht geworden.
Vielleicht ist in Zeiten der Globalisierung wichtiger denn
je, seine kulturelle Identität zu bewahren und da haben
wir gerade einen Rückschritt erlebt.
Wenn
das Irish Pub stirbt, stirbt mit ihm auch ein guter Teil
der irischen Seele. Nach dem Rauchverbot wäre der nächste
logische Schritt immerhin, Alkohol zu verbieten. Durch den
sterben im Jahr sicher mehr Menschen als durch das Rauchen.
Doch ist das Leben dann noch lebenswert. Wollen wir die
Welt wirklich mit nüchternen Augen sehen? Schon das
Rauchverbot hat gezeigt, dass so ein Schuss nach hinten
losgehen kann. Zwar rauchen die Iren weniger Tabak, dafür
wird in den Straßen jetzt tüchtig gekifft. Ob
das die Idee war?
Keiner
hat etwas gegen Rücksichnahme und den Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Tatsache ist aber auch, dass Nichtraucherpubs in der Vergangenheit
kein Erfolg beschieden war. Nicht einmal Nichtraucher gingen
dort hin. In einem freien Land sollten Menschen die Wahl
haben und das erstreckt sich auch auf die Art und Weise,
wie man seine Gesundheit ruiniert. Wenn alles was Spaß
macht verboten wird, riskiert Irland den Exodus. Und das
ist eine Nachricht, die man auch im Rest Europas vernehmen
sollte.
Nachtrag:
Die beiden Artikel zum Rauchverbot entstanden vor etlichen Jahren. Löschen werde ich sie nicht, das sie meine Befindlichkeit hervorragend widerspiegeln, aber ich möchte einen Nachtrag schreiben.
Das Rauchverbot in Irland ist ein voller Erfolg und selbst Leute wie ich können dem mittlerweile etwas abgewinnen. Ich war dieser Tage mal wieder in Deutschland und in einer Raucherkneipe. Es war unschön. Mir ging es lange nicht so drecking, wie den Morgen danach. Schuld war das verqualmte Pub.
Deutschland ziert sich nachwievor gewaltig und ganz Europa schaut fasziniert zu. Die meisten Leute halten Deutsche ja für obrigkeitshörig und Regelfetischisten. Dass ausgerechnet in Deutschland, wo sogar Klobrillen einem ISO Standard entsprechen, die Einführung eines flächendeckend Rauchverbots an der Aufmüpfigkeit der Bürger scheitert, findet Resteuropa unglaublich. Ich werde bemerkenswert oft darauf angesprochen.
Mittlerweile fahren Leute nach Deutschland, weil sie dort in der Schenke rauchen können. Die finden das auch toll, aber halt nur, weil sie anschließend wieder heimfahren können. Für die ist das wie eine Safari und ihr seid die Zoobewohner.
Das ihr Vater Staat und Mutti Merkel auflassen lassen wollt, adelt euch. Im Prinzip könntet ihr auf euer neues Image als Rebellen im Herzen Europas stolz sein, es gibt aber keinen Grund. Ihr habt euch einfach ein saublödes Thema dafür ausgesucht. Rauchen in der Kneipe ist zwar irgendwie schön und ich tue auch gern mal was Verbotenes, insgesamt ist es aber ätzend und das sagt jemand, der sein Leben lang geraucht hat und in einem Land mit Null Toleranz in Sachen Rauchen lebt. Wie wäre es, wenn ihr stattdessen etwas Sinnvolles boykottiert. Ich war nie ein Fan der Alkoholsteuer. Brennt einfach mal wieder selbst. Es ist einfacher als ihr denkt.