Alles
wird besser?
Wie wir mittlerweile wissen, ist Irland in so mancher Beziehung
ein Paradies. Das Land ist wunderschön, die Leute sind supi
nett, reich sa me auch alle und die klimatischen Verhältnisse
hier sind geradezu paradiesisch. Wie das wusstet ihr nicht? Ihr
dachtet, das Wetter hier wäre eher bescheiden? Regen, windig,
kalt und so?
Das
war vielleicht mal so aber damit ist es vorbei. Irland ist einer
der klaren Gewinner des Global Warming. Seit die Temperaturen
immer unaufhaltsamer steigen, ist das Wetter auf Irland eine Wucht.
Ungelogen. Selbst ich hatte im vergangenen Jahr kaum was zu meckern
und das will was heißen. In der Beziehung bin ich so deutsch
wie es irgendwie geht. Und es scheint so weiter zu gehen. Auch
im Moment können wir uns schon wieder einmal nicht beklagen,
Sonne pur.
Deswegen
fahren wir wahrscheinlich auch alle große Benzinfresser
- wegen dem Global Warming meine ich. Wir finden CO2 cool, von
uns aus kann es so weiter gehen. Ein paar Grad wärmer könnten
wir noch.
Ich mit meinem auf Maximalverbrauch getrimmten 2.5 Liter V6 zähle
wahrscheinlich sogar noch zu den harmloseren Vertretern. Da kenne
ich andere. Unter 18 Liter auf 100 geht bei denen nix. Die lachen
mich an der Tankstelle aus. Die hören erst auf zu grinsen,
wenn wir uns auf der Autobahn treffen. Das Schnellste, was die
je gefahren sind, ist 120. Da schalte ich gerade mal in den zweiten
Gang. Was tut man nicht alles für die Umwelt!
Wenn
ich Ire wäre, würde ich wahrscheinlich 'nen Hummer oder
so etwas fahren, aber mir ist es natürlich nicht egal, ob
der Rest der Welt krachen geht. Ich will ja auch noch mal in den
Urlaub fahren. Insgesamt muss ich allerdings sagen, dass ich es
nur fair finde, wenn wir auch mal auf der Sonnenseite sitzen.
Lange genug leiden mussten wir ja.
Dieses
Jahr (2007) zum Beispiel habe ich meinen Geburtstag am Strand
verbracht und war sogar mit den Füßen im Wasser. Zwillinge,
Krebse und Löwen mögen daran nichts besonderes finden
aber ich bin Wassermann. Zu meinem Geburtstag jagt man in normalen
Jahren keinen Schotten auf die Straße, so grauenhaft ist
das Wetter. Das einzige, was wir in all den Jahren gemacht haben,
ist uns an den Kamin kuscheln. Wir konnten uns Strände vielleicht
im Fernsehen angucken (wenn wir denn einen hätten) mehr aber
auch nicht.
Ich
erinnere mich an einen Geburtstag, da ist uns am Abend der Party
das Heizöl ausgegangen. Boah war ich begeistert. Da musste
ich die ganze Nacht mit einer Freundin unterm Federbett kuscheln
und Doktor spielen. So kalt war es bei uns. Schrecklich! Und das
an meinem Geburtstag! Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei.
Erstens habe ich jetzt Gasheizung und außerdem kommen wir
endlich in den Genuss unkontrollierten CO2-Ausstoßes.
Dieses
Jahr haben wir zünftig am Strand gefeiert und wenn wir es
jetzt noch hinbekommen, dass die blöde Erdachse ein klein
wenig kippt, sodass es nicht mehr so früh dunkel wird, dann
wäre ich restlos zufrieden. Es zeigt sich doch immer wieder.
Man auch mit kleinen Sachen andern eine Freude machen. Es muss
nicht immer Kaviar sein.
Nun gut, eigentlich soll es heute nicht um Global Warming gehen,
sondern um etwas worüber ich mich sehr geärgert habe.
Ich hatte nämlich letztens Besuch von einer lieben Freundin
aus Kanada. Das an sich war natürlich sehr nett und sie war
auch schon sehr gespannt auf Irland. Einen besseren Reiseführer
als mich gibt es nicht, ergo wollte ich mit ihr ein paar Plätzchen
abklappern, die ich schon immer sehr mochte. Einer der Orte auf
meiner Liste war Doolin, ein paar Kilometer südlich von Galway.
Ich war schon ewig nicht da und freute mich selbst ein wenig darauf.
Immerhin verbinden mich mit dem Dorf ein paar ausnehmend schöne
Erinnerungen.
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Die
guten alten Zeiten. Sehr beliebt war es, sich auf den Bauch
zu legen und bis an den Rand vor zu robben. Beängstigend
aber wunderschön.
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Was
ist an Doolin so besonders? Bekannt ist der kleine Ort hauptsächlich,
weil er in Laufnähe zu den Cliffs of Moher liegt. Das macht
ihn selbstredend zum beliebten Ziel von Touris und Wochenend-
ausflüglern. Das mag nicht so toll klingen, ist aber nicht
weiter schlimm. Schließlich sind die Cliffs nicht nur mächtig
schön sondern auch noch mächtig gewaltig.
Man kann es wirklich keinem übel nehmen, der Gegend einen
Besuch abstatten zu wollen. Und manchmal ist es ja auch schön,
noch eine andere Menschenseele zu treffen. Da hatte man in Doolin
also schon immer gute Chancen und insgesamt hielt es sich in einigermaßen
erträglichen Grenzen.
Besonders
einsam ist es also nicht und nur wegen der Cliffs würde ich
sicher auch nicht mehr als einmal hinfahren. Warum also? Es liegt
in einer recht idyllischen Gegend am - ja nennen wir es ruhig
beim Namen - Arsch der Welt, ist ganz niedlich und hat sogar eine
eigene kleine Ruine. Toll, aber seien wir ehrlich! Das ist in
Irland nun wirklich nichts Besonderes. In the middle of nowhere
setze ich quasi schon fast voraus und verfallene Häuser gibt
es überall. (Liegt an der irischen Bauweise schätze
ich.). Was unterscheidet Doolin also von anderen Kuhdörfern?
Das Besondere ist, dass es am Arsch der Welt liegt UND eine extrem
coole Musikszene hat. Obwohl der Ort winzig ist, gaben sich hier
ganz außergewöhnlich gute Musiker die Klinke in die
Hand. Diese einmalige Kombination war mein Hauptantrieb zurück
zu kommen und einer der Hauptgründe, warum ich meine Freundin
aus Kanada da hinschleifen wollte.
In trauter Runde in einer schummrigen Bar und auf der Bühne
steppt der Bär. Und den kannt ich mit etwas Glück sogar
(den steppenden Bären) Immer wenn ich auf einen Freitag Abend
da gewesen war, hatte nämlich Dulsert gespielt und
die sind nicht nur eine der besten Irish Folk Bands die ich kenne,
sondern auch richtig nette Leute. Es kam anders, doch fangen wir
von vorn an.
Schon während der Hinfahrt machte ich einen typischen Anfängerfehler.
Ich kann meine Beschränktheit rückblickend kaum noch
fassen, aber als plötzlich ein Schild mit der Aufschrift
N18 auftauchte, bog ich wider besseren Wissens
links ab. Schwerer Fehler, ich weiß, aber ich bin ein neugieriger
und aufgeschlossener Mensch und immer bereit für ein kleines
Abenteuer.
Nachdem
ich dem Schild folgend abgebogen war, endete ich auf einer der
in Irland typischen Kapstraße ins Nirgendwo. Mir hätte
die Sache natürlich etwas spanisch (oder irisch) vorkommen
können, die N18 ist immerhin eine der Hauptverkehrsadern
des Westens, kam es aber für eine ganze Weile nicht. Nun
glaubte ich natürlich nicht ernsthaft, die Kapstraße
sei die N18, aber ich nahm an, es handele sich um eine Art Abkürzung,
um auf selbige zu kommen. Laut Karte machte das sogar Sinn.
Zwanzig
Minuten, ein paar verschlafene Kuhdörfer und Beinaheunfälle
später, wurde ich skeptisch, zum Umkehren war es da zu spät,
außerdem hätte ich ja meiner Freundin gegenüber
zugeben müssen, dass ich mich vertan habe. Keine Chance,
also tat ich was alle Männer in meiner Situation getan hätten
und schob die Schuld auf sie. Kluger Schachzug, ich weiß,
nur half es natürlich nicht.
Ich
erinnerte mich an eine alte Lektion, die ich hier in Irland gelernt
hatte. Da wir uns auf einer Insel befinden, ist es schlichterdings
unmöglich, sich völlig zu verfahren. Weiter ging es
also und tatsächlich kreuzten wir irgendwann die gesuchte
N18. Die Frage war eigentlich nur wo. Als alter Sozi und meiner
männlichen Intuition vertrauend hielt ich mich links und
natürlich war es die falsche Richtung. Es dauerte etwas,
bis wir an einen Ort kamen, den ich dann auch auf der Karte wiederfand,
aber da war es dann schon fast egal. Es wurde langsam dunkel,
ich war leicht genervt und den wunderschönen Sonnentag hatten
wir mehr oder weniger im Auto verschwendet. Was soll's. Es ließ
sich nicht mehr ändern.
Ich
machte danach eigentlich nur noch einen letzten Fehler. Ich entschied
mich, nicht zurück zu dem Abzweig zu fahren, den ich kannte,
sondern querfeldein die "Abkürzung" zu nehmen.
Da war es dann schon fast egal und irgendwie war unsere kleine
Odyssee durch die wunderschöne Welt irischer Straßenschilder
sogar unterhaltsam. In weit gezogenen Schleifen näherten
wir uns unserem Ziel, erreichten es schließlich sogar. Ende
gut, alles gut? Weit gefehlt.
Wie
groß wurden meine Augen, als wir schließlich ankamen.
Von meinem verschlafenen kleinen Doolin war nichts, aber auch
gar nichts übrig geblieben. Ich erkannte den Ort nicht wieder.
Hotels, B&B's und Holiday Homes soweit das Auge reichte. Na
toll, aus meinem genialen Plan eines gemütlichen Abends im
Pub und den Klängen Dulserts lauschen würde garantiert
nichts und wurde es tatsächlich auch nicht. Wir verbrachten
den Abend in meinem alten Lieblingspub aber auch der hatte sich
irgendwie verändert. Es war jedenfalls nicht so toll wie
erwartet. Blieben ja noch die Cliffs und die sind imposant genug.
Der nächste Tag war nicht annähernd so schön und
sonnig, aber das überraschte mich in keinster Weise und gerade
wenn das Wetter nicht so toll ist, vermitteln die Cliffs eine
grandiose Stimmung. Passt also. Wir schwangen uns ins Auto und
ab ging es.
Zunächst
einmal fiel mir auf, dass der alte Parkplatz weg war. Halb so
schlimm. Der Neue empfing Besucher des Naturschauspiels mit einer
Schranke. Gegen Entrichtung eines kleinen Obolus von 5 Euro durften
wir parken. Gierige kleine ... Irgendwie schwante mir zu dem Zeitpunkt
schon etwas und ich wurde nicht enttäuscht.
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Tja
und so sieht es jetzt aus. Dass sie es ernsthaft wagen, auch
noch ein Schild aufzustellen, sagt eigentlich alles
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Statt
eines Trampelpfades führt seit Neuestem ein breiter Betonweg
zu den Cliffs. Das an sich wäre nicht so schlimm, aber auch
an den Klippen selbst schienen sich baulustige, böse Zwerge
ein Stelldichein gegeben zu haben.
Was einstmals ein Ort der Ruhe und des Schreckens war; einfach
nur beeindruckend, atemberaubend schön, einschüchternd
und geradezu bedrohlich in seiner Gewalt, hatte sich verwandelt
in eine langweilige Betonwüste im Stile Disneyworlds. Von
den eigentlich Klippen sieht man gar nichts mehr. Breite Pfade
und eine bestimmt 1.20 Meter hohe Betonmauer trennen den Besucher
weiträumig vom Klippenrand. Lobet den Herrn.
Das Spektakuläre an den Cliffs war, dass man bis ziemlich
dicht an den Rand treten konnte und einen Blick in den Abgrund
wagen (siehe das Bild oben - das kleine Bunte auf der Plattform
sind tatsächlich Menschen). Da sind nun hochmotivierte
Ordner vor, die es einem nicht einmal erlauben, kurz auf die Mauer
zu steigen und ein Foto zu schießen. Das Ganze erinnert
gefährlich an einen Kindergarten.
Ich meine, es ist schon klar, dass es jedes Jahr ein paar Idioten
geschafft haben, da runter zu fliegen. Die meisten von denen flogen
wohl ohnehin mit Vorsatz und das geht immer noch.
Es
wäre auch kein Schaden, einen Zaun zu errichten und damit
seiner Obhutsplicht nachzukommen, was an den Cliffs of Moher passiert
ist, lässt sich damit aber nicht erklären. Hier wurde
das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und nützen wird
es garantiert nichts. Schließlich gehen die Cliffs noch
ein ganzes Stück weiter, nachdem der offizielle Park aufhört
und da passt natürlich keiner auf. Allerdings - und das ärgert
mich daran - liegt der bei weitem spektakulärste (und auch
mit Abstand sicherste Teil, um bis an den Rand zu treten) innerhalb
des Parks. An den kommt man nun nicht mehr ran.
Und das alles wegen ein paar geldgeiler, kleiner Nachtwächter,
die denken, dass es schon genug Idioten gibt, die trotzdem kommen.
Das Traurige ist, dass sie wahrscheinlich Recht haben und das
Ganze auch noch Schule machen könnte. Irgendeine
Statistik
werden die schon fälschen, die das Ganze wie einen Erfolg
aussehen lässt. Dass sie dabei einen der schönsten Flecken
Irlands verschandelt, missbraucht und getötet haben, kommt
ihnen nicht in den Sinn. Geopfert auf dem Altar des Mammon und
da dachten wir, mit dem Götzen anbeten ist es vorbei hier.
Die einzige Empfehlung, die ich noch abgeben kann, ist: Meidet
Doolin und die Cliffs of Moher, schaut euch was anderes an. Hohe
Klippen gibt es in Irland genug und nein, ich werde euch nicht
sagen wo die sind, weil sonst fahren da zu viele Leute hin und
dann kommt irgendein Rüssel auf die Idee, die auch noch mit
Beton zuzuschütten. Ich sag sowieso gar nix mehr!